Jahrelang hat das Bundesamt für Landwirtschaft kommuniziert, die Schweizer Bauern bräuchten immer weniger Pestizide. Das war aber falsch. Ökologisch ausgerichtete Agronomen fordern jetzt mit einem detaillierten Pestizid-Reduktionsplan ein Umdenken.
Die Schweizer Landwirtschaft wird immer ökologischer. Das ist der Grundtenor, wenn man die offiziellen Papiere des Bundesamtes für Landwirtschaft studiert. Auch in Sachen Pestizidverbrauch wiesen die offiziellen Statistiken jahrelang kontinuierliche Fortschritte auf.
Im Jahr 2006 allerdings gibt es einen massiven Sprung nach oben. In Tonnen gerechnet brauchen die Schweizer Bauern heute gleichviele Pestizide wie in den 90er-Jahren.
Verkaufte Pflanzenschutzmittel gemäss offiziellem Agrarbericht
BUNDESAMT FÜR LANDWIRTSCHAFT
Offizielles Ziel nicht erreicht
Andreas Bosshard, der Geschäftsführer der ökologisch ausgerichteten Denkfabrik Vision Landwirtschaft kritisiert, dass diese Tatsache offiziell nie kommuniziert wurde. Das bundesrätliche Ziel, den Verbrauch der Pestizide bis ins Jahr 2005 auf 1500 Tonnen zu reduzieren wurde deutlich verfehlt.
Beispiele aus dem Ausland zeigen, auf bis zu 50 Prozent der Pestizide könnte man verzichten.
Andreas Bosshard Geschäftsführer der ökologischen Denkfabrik Vision Landwirtschaft
Bosshard kritisiert weiter, dass die verfügbaren Zahlen zum Verbrauch von Pestiziden schlicht unbrauchbar seien. Verlässliche Studien aus England zeigten nämlich, das dort die eingesetzte Pestizidmenge in Tonnen gerechnet zwar leicht zurückgegangen ist, die Wirksamkeit der Mittel und damit die Behandlungsintensität aber angestiegen ist. Dieses Phänomen zeige sich auch in der Schweiz.
Vision Landwirtschaft hat diese Woche nun einen detaillierten Pestizid-Reduktionsplan für die Schweiz präsentiert. «Beispiele aus dem Ausland zeigen, auf bis zu 50 Prozent der Pestizide könnte man verzichten», sagt Bosshard, «ohne Einbussen für die Bauern».
Bundesamt räumt ein: Zahlen genügen nicht
Eva Reinhard, die stellvertretende Direktorin des Bundesamtes für Landwirtschaft bestätigt, dass die Statistik ab 2006 neu berechnet werden musste, weil die gemeldeten Pestizidverkäufe der chemischen Industrie nicht den tatsächlich auf den Feldern eingesetzten Mengen entsprach. Sie räumt auch ein, dass die verfügbaren Zahlen nicht genügen, um den effektiven Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der Schweiz richtig einzuschätzen.
Nur noch die Hälfte der Pestizide einzusetzen, das ist zu ambitioniert
Eva Reinhard stellvertretende Direktorin des Bundesamtes für Landwirtschaft
Es sei allerdings schwierig, die Situation in der Schweiz mit der in anderen europäischen Ländern zu vergleichen, weil es hierzulande vergleichsweise viele Reben, Obstkulturen und Kartoffelfelder gebe. Für diese Kulturen müssten besonders viele Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden.
Lieber keine Würmer in den Kirschen
Der Bundesrat wird in den nächsten Wochen den offiziellen Aktionsplan Pflanzenschutzmittel in die Vernehmlassung geben. Ausgearbeitet wurde er gemeinsam vom Bundesamt für Umwelt und vom Bundesamt für Landwirtschaft.
«Nur noch die Hälfte der Pestizide einzusetzen, das ist zu ambitioniert», sagt Eva Reinhard schon im Voraus. Und sie nimmt auch die Konsumentinnen und Konsumenten in die Pflicht. Früher hätten die Kirschen regelmässig noch Würmer gehabt und auf dem Kopfsalat habe man ab und zu auch eine Schnecke gefunden. Heute werde das beim Einkauf nicht mehr toleriert und dazu brauche es halt die Pflanzenschutzmittel. (Christian von Burg / srf.ch)