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Bundesrat Ueli Maurer – seine Rede am SVP-Anlass in Wald ZH

Landbote vom 22.09.2021

Kritische Rede von Ueli Maurer

Jetzt muss sich der Gesamtbundesrat erklären

Der Auftritt des Finanzministers in Wald ist nicht nur wegen des Trychler-Shirts umstritten. In seiner Rede sprach Maurer von einem gesundheitspolitischen Versagen des Bundesrats. Dieser wird nun dazu Stellung nehmen.

Markus HäfligerCharlotte Walser
Charlotte Walser, Markus Häfliger

Nicht nur das Shirt, auch die Rede wirft Fragen auf: Bundesrat Ueli Maurer (links) an einem SVP-Anlass in Wald ZH.

Nicht nur das Shirt, auch die Rede wirft Fragen auf: Bundesrat Ueli Maurer (links) an einem SVP-Anlass in Wald ZH.
Foto: Twitter

Was sagt der Gesamtbundesrat zu Ueli Maurers umstrittenem Auftritt an einem SVP-Anlass in Wald ZH?

Am letzten Freitag verweigerte Guy Parmelin dazu die Antwort. Solche Themen «diskutieren wir innerhalb des Kollegiums, wenn es etwas zu diskutieren gibt», sagte der Bundespräsident vor den Medien. Doch jetzt können Parmelin und seine Bundesratskolleginnen und -kollegen sich nicht länger drücken.

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Denn die Bundeshausfraktion der SP hat neun detaillierte Fragen zu Maurers Auftritt eingereicht. Diese muss der Gesamtbundesrat am nächsten Montag in der Fragestunde des Nationalrats beantworten. Dabei fokussiert die SP nicht auf das T-Shirt der sogenannten Freiheitstrychler, das Maurer am fraglichen Anlass getragen hat – sondern auf die Rede, die er gleichenorts hielt und von welcher ein Videomitschnitt existiert. Darin äussert sich Maurer äusserst kritisch gegen den Gesamtbundesrat und gegen das Gesundheitsdepartement von Alain Berset.

Die SP will nun wissen, wie sich der Bundesrat zu Maurers Aussagen stellt. Sie fragt namentlich, wie Maurers Aussagen mit dem Kollegialitätsprinzip vereinbar seien. Fragen formuliert die SP auch zu jenen Passagen, in welchen Maurer Fakten anzweifelt. Schliesslich will sie wissen, ob der Bundesrat einen Zusammenhang zwischen Maurers Aufruf zum Widerstand und der Gewaltbereitschaft gewisser Massnahmenkritiker an Demonstrationen sieht.

Nachfolgend einige Schlüsselpassagen aus Maurers Rede im Wortlaut:

Behauptung: Experten regieren das Land

«Wenn man an all die Massnahmen denkt, die beschlossen werden in Bern, das ist eine Handvoll Experten, von niemandem irgendwo gewählt, (…) und die Machtkonzentration, die stattfindet, die ist ganz, ganz gefährlich.»

Kritik am Bundesrat: Zu viel Macht, zu wenig Führung

«Der Bundesrat spielt da mit, der Bundesrat hat auch Freude gekriegt an der Macht, ich sage das jetzt selbstkritisch, jetzt können wir mal sagen, wo Gott sitzt, ist so etwa die Tendenz (…).»

«Im gesundheitspolitischen Teil, bin ich der Meinung, haben der Bundesrat und die Behörden versagt.»

«Das ist alles nicht schlecht, aber es hat niemand geführt. Es ist eine Führungskrise gewesen, und in diesem Moralisieren drin hat man das gar nicht hinterfragt und das Gefühl gehabt, die, die das entscheiden, machen das schon recht.»

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«Aber wenn wir ganz ehrlich sind (…), hat der Staat meiner Meinung nach versagt – eine Führungskrise und keine Corona-Krise.»

Relativierung des Problems

«Und wenn wir dann diese Corona-Krise mal überwunden haben – sofern es überhaupt eine Krise ist, das kann man ja durchaus auch noch hinterfragen, wie gross diese Krise ist –, dann müssen wir uns genau wieder auf diese Grundwerte besinnen.»

«Ganz viele Operationen sind wichtig, die konnten auch gemacht werden, aber wenn wir jetzt unter uns sind, eine Knieoperation kann vielleicht auch zwei, drei Monate warten, es gibt andere Operationen, die man auch etwas rausschieben kann (…).»

Behauptung: Intensivbetten wurden abgebaut

Maurer behauptet in seiner Rede auch: «Wir haben Intensivbetten abgebaut.»

Das Bundesamt für Gesundheit und die Taskforce haben den Sachverhalt schon mehrfach erklärt. Demnach ist es nicht eine Frage der Betten, sondern eine Frage des Personals. Covid-Patienten auf der Intensivstation benötigen eine besonders intensive Betreuung. In der ersten Welle wurden zwar zusätzliche improvisierte Betten geschaffen. Für diese wäre aber keine Betreuung nach den üblichen Standards möglich gewesen. Das Personal reicht laut Experten für 750 bis 800 Betten. Gibt es mehr Intensivpatienten, bedeutet dies Abstriche bei den Betreuungsstandards. Deshalb mussten zahlreiche Operationen verschoben werden.

Spott über Zürcher Kantonsregierung

«Thurgau kenne ich jetzt etwas weniger, aber im Kanton Zürich haben sie manchmal auch das Gefühl, sie seien vom Herrgott gewählt, oder? Die kommen irgendwo zwischen Papst und Herrgott!»

Aufruf zum Widerstand

«Also wenn wir heute Morgen zusammensitzen, müssen wir wissen, wir haben uns zu wehren gegen einen Mainstream, gegen die Moral, gegen die, die meinen, sie seien besser.»

«Ihr seid Teil von dieser Konzentration, die stattfindet, weil wir uns zu wenig wehren. Man muss ein Gegengewicht bilden, damit diese Macht nicht zu gross wird.»

Aufruf zur Toleranz

Neben diesen konfrontativen Aussagen gibt es auch Passagen in Maurers Rede, in denen er zu gesellschaftlichem Ausgleich aufruft. So bittet er sein Publikum, Respekt vor Andersdenkenden zu haben – insbesondere in der Impffrage. Wörtlich sagte er: «Wir gehen um mit Respekt voreinander, akzeptieren die andere Meinung und lassen jeden leben und versuchen im persönlichen Kontakt, wo auch immer, auf die andere Meinung Rücksicht zu nehmen oder auch im Verhalten.»

Parmelin formuliert die Antworten

Die Beantwortung solcher Fragen wird von der Bundeskanzlei jeweils einem Departement zugeteilt. Eine bundesratsnahe Person sagt, das Präsidialdepartement – das Departement von Maurers Parteikollege Parmelin – werde die Antworten formulieren. Die anderen Bundesratsmitglieder können diese in der Bundesratssitzung zwar noch korrigieren, aber normalerweise tun sie das nicht.

Doch klar ist: Veröffentlicht werden die Antworten nicht im Namen Parmelins, sondern im Namen des Gesamtbundesrats. Falls sich die Landesregierung bei dieser Gelegenheit nicht von Maurer distanziert, wird sie seine Aussagen ab diesem Zeitpunkt offiziell mittragen.