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Auszug aus dem Protokoll des Regierungsrates des Kantons Zürich

Sitzung vom 20. Mai 2015

539. Motion (Änderung des kantonalen Landwirtschaftsgesetzes:
Verbot des Anbaues von gentechnisch verändertem Saatgut auf dem gesamten Gebiet des Kantons Zürich)

Die Kantonsräte Urs Hans, Turbenthal, Jonas Erni, Wädenswil, und Michael Welz, Oberembrach, haben am 16. März 2015 folgende Motion eingereicht:

Der Regierungsrat wird beauftragt, im kantonalen Landwirtschafts- gesetz ein Anbauverbot von Gentechpflanzen zu erlassen. Gentechnische Verfahren beinhalten alle Zuchtverfahren, welche nicht mittels natürli- cher Kreuzung erfolgen. Versuche zu Forschungszwecken in geschlosse- nen Räumen sind weiterhin erlaubt.
Begründung:
Artikel 1 des kantonalen Zürcher Landwirtschaftsgesetzes sagt: Die kantonalen Massnahmen bezwecken eine von den natürlichen Produk- tionsgrundlagen ausgehende rationelle landwirtschaftliche Produktion sowie die Erhaltung und Festigung des bäuerlichen Familienbetriebs, der nach Möglichkeit in den gewachsenen Siedlungsstrukturen zu erhalten ist.

Die Erfahrungen, welche nun über Jahre in Ländern gemacht wurden, in denen der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen zugelassen wurde, stehen in diametralem Gegensatz zu den eidgenössischen und kantonalen Gesetzen und definierten Zielen für unsere Landwirtschaft. Zerfall der bäuerlichen Strukturen, Monokulturen, Degradierung der Böden, exzessiver Einsatz von Pestiziden, Gewässerverschmutzung, ge- sundheitliche Schäden in der Bevölkerung und die Patentierung von Saatgut sind die Folge und widersprechen klar einer sicheren und unab- hängigen Versorgung unserer Bevölkerung mit Lebensmitteln und dem Prinzip der Vorsorge. Eine Studie im Auftrag des Bundesamtes für Um- welt (BAFU) kommt zum Schluss, dass herbizidresistente, gentechnisch veränderte Pflanzen den Biodiversitätsverlust beschleunigen (http://www. bafu.admin.ch/biotechnologie/13322/index.html?lang=de). Eine weitere Verlängerung des Moratoriums ab 2017 ist rechtlich umstritten. Ein Gutachten von Prof. Rausch im Auftrag des Schweizer Bauernverbands (SBV) und der Schweizerischen Arbeitsgruppe Gentechnologie (SAG) kommt zum Ergebnis: «Ein Verbot des Anbaus von gentechnisch verän- derten Pflanzen ist verfassungskonform, wenn es der Wahrung von Verfassungsbestimmungen dient.» Gemäss Verfassungsartikel 104 Abs. 1a–b hat der Bund dafür zu sorgen, dass die Landwirtschaft durch eine nach- haltige und auf den Markt ausgerichtete Produktion wesentlich zur siche- ren Versorgung der Bevölkerung und der Erhaltung der Lebensgrund- lagen sowie zur Pflege der Kulturlandschaft beiträgt. Nur ein sofortiges Verbot schafft endlich Rechtsicherheit und klare Perspektiven für eine nachhaltig produzierende Zürcher Landwirtschaft und sendet ein klares Zeichen an den Bund, ein entsprechendes nationales Verbot gesetzlich zu verankern. Die Forschung in geschlossenen Räumen bleibt weiterhin erlaubt. Die Zeit drängt. Die inländische, GVO – freie Saatgutproduk- tion gerät immer mehr unter Druck und die Gefahr durch kontaminier- tes importiertes Saatgut steigt stetig an. Bereits drei Kantonsparlamente, Freiburg, Tessin, Waadt, haben entsprechende Beschlüsse zum Schutz ihrer Landwirtschaft gefasst.

Auf Antrag der Baudirektion beschliesst der Regierungsrat:

I. Zur Motion Urs Hans, Turbenthal, Jonas Erni, Wädenswil, und Michael Welz, Oberembrach, wird wie folgt Stellung genommen:

Das Gentechnik-Moratorium besteht in der Schweiz bis Ende 2017. Bis dann sollen die gesetzlichen Grundlagen für eine Koexistenz von gen- technisch veränderten Organismen-(GVO)-freien Gebieten und GVO- Gebieten vorliegen. Anlässlich der Vernehmlassung zu den entspre- chenden Anpassungen im Gentechnikgesetz (SR 814.91) hat sich der Regierungsrat dahingehend geäussert, dass er zwar die Möglichkeit zur Ausscheidung von GVO-freien Gebieten begrüsst, es jedoch für richtig hält, wenn nicht der gesamte Kanton zum GVO-freien Gebiet erklärt wer- den kann (RRB Nr. 501/2013). Eine gentechnikfreie Produktion müsste, wenn dies von den Stimmberechtigten verlangt wird, mit einer Verlängerung des Gentechnik-Moratoriums über 2017 hinaus gesamtschweizerisch geregelt werden. Im Nationalen Forschungsprogramm 59 des Bundes hat eine Umfrage in der Bevölkerung ergeben, dass die Akzeptanz der Gentechnik, wie bei anderen Technologien auch, stark von Nutzen und Risiken abhängt. Wenn der Nutzen im Vergleich zum Risiko sehr gross ist, wird der Markt nach solchen Produkten verlangen. Es kann daher nicht im Sinne der Landwirtschaft sein, den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen (GVP) im Kanton Zürich zu verbieten. Die Forschung ist bereits viel weiter als die in der Begründung der Motion als negative Beispiele genannten Anwendungen.

Es wird zudem die Befürchtung geäussert, dass der Markt durch wenige grosse Unternehmen beherrscht würde, die über diese Technik verfügten und damit die Zürcher Landwirtschaft nicht mehr unabhängig wäre. Auch ohne die Anwendung von GVP stammt der überwiegende Anteil des in der Schweiz verwendeten Saat- und Pflanzgutes heute schon von einigen wenigen, international tätigen, grossen Zuchtorganisationen. Eine inländische oder gar zürcherische Unabhängigkeit ist auch bei konventionellem Saatgut unmöglich, weil es bei vielen wichtigen Kulturen keine staatlichen oder privaten Zuchtprogramme gibt. Nur im beschränkten Umfang und bei einzelnen Kulturen (z. B. Getreide, Soja, Wiesenpflanzen, einzelnen Spezialkulturen) engagieren sich der Bund mit seinem Institut für Pflanzenwissenschaften (IPW) der Agroscope, das Forschungsinstitut für Biologischen Landbau (FiBL) und weitere kleine private Züchtungsunternehmen in der konventionellen Sortenzüchtung. Zudem unterstützt der Bund seit der Unterzeichnung der Artenschutzabkommen von Rio die Stiftung «Pro Specie rara» mit Projektgeldern, die für den Erhalt von alten Sorten sorgen.

Damit die Forschung Entwicklungen für einen zukünftigen Markt hervorbringen und/oder deren Anwendung unter lokalen Anbaubedingungen prüfen kann, muss sie die fachlichen Kompetenzen in den neuen Technologien haben. Dazu sind insbesondere Freisetzungsversuche nötig, um alle agronomischen und umweltrelevanten Eigenschaften zu untersuchen. Der Forschungsplatz Zürich mit der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH), der Universität, der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) und dem IPW Agroscope nimmt dabei eine wichtige Stellung in der Schweiz ein. Diese Stellung gilt es zu halten oder sogar auszubauen, was bei einer Umsetzung der Motion nicht mehr möglich wäre.

Aus diesen Gründen beantragt der Regierungsrat dem Kantonsrat, die Motion KR-Nr. 90/2015 nicht zu überweisen.

II. Mitteilung an die Mitglieder des Kantonsrates und des Regierungsrates sowie an die Baudirektion.

Vor dem Regierungsrat Der Staatsschreiber: Husi