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Was der Landbote über die Demo in Winterthur vom 18.9.2021 schreibt

 

Bericht von

Mehrere Tausend demonstrierten in der Altstadt

Die Kundgebung richtete sich gegen die Corona-Politik des Bundes und trug Züge eines Volksfests.

Früh füllte sich am Samstagnachmittag der Neumarkt in der Winterthurer Altstadt. Dort versammelten sich die Gegner der Corona-Politik des Bundes zu einem Umzug mit anschliessenden Reden. Das Publikum war bunt gemischt: Alte und Junge, Frauen wie Männer. Viele hatten selbst gemachte Plakate dabei. Um halb zwei wurde es schon eng auf dem Platz, eine Maske trug niemand. Wegen des schönen Wetters war die Altstadt generell sehr gut besucht.

«It is not what it seems» (Es ist nicht, was es zu sein scheint) stand auf dem Karton, den sich eine Frau um den Hals gehängt hatte. Unter den vielseitigen Wahrheiten befanden sich auch Rezepte. So montierte sich ein Paar gegenseitig eine Tafel auf den Rücken, auf der zu lesen war: «Immunsystem stärken durch Tanzen». Oft kam das Wort «Freiheit» vor, und sehr häufig war der Ruf nach «Liberté» zu hören. Verschwörungstheorien waren gut vertreten: Die Corona-Epidemie diene als «Masterplan zur Errichtung einer digitalen Diktatur», hiess es. Andere verknüpften Corona mit dem neuen Mobilfunkstandard 5G oder den «Finanz-Hochadel» mit Pädophilie.

Wie ein patriotisches Volksfest

Man kann sich fragen, für wen diese Botschaften eigentlich bestimmt sind. Ohne die – hier auch als «Staatsmedien» beschimpften – Massenmedien würde kaum jemand etwas davon mitbekommen, der nicht sowieso schon damit sympathisiert. So ist es wohl nicht ganz falsch, zu sagen, dass solche Demonstrationen vor allem der Selbstvergewisserung der Teilnehmenden dienen, die sich von der herrschenden Meinung abgrenzen.

Bis es losgehen konnte, dauerte es eine halbe Stunde länger als vorgesehen. Während des Wartens waren immer wieder Treicheln und Jubelrufe zu hören – der Anlass wirkte wie in Volksfest. Ein patriotisches Volksfest: Die Farbe Rot dominierte, Schweizer Fahnen wurden geschwungen. Die Treicheln sind ein tragendes Element dieser Anlässe, die zurzeit in mehreren Städten der Schweiz stattfinden; ohne sie wäre die Stimmung weit weniger festlich.

Der Rundgang führte über die Technikumstrasse zur Alten Kaserne, über die General-Guisan-Strasse durch die Stadthausstrasse bis zum Casinotheater und wieder zurück zum Neumarkt. Die Polizei begleitete den Umzug, hielt sich aber im Hintergrund. Wer angesichts der Menschenmenge eine Maske trug, gab sich damit als nicht zugehörig zu erkennen. «Die Maske ist ungesund», rief ein Mann im Vorbeigehen.

Manche Kundgebungsteilnehmer warteten auf dem nun locker bevölkerten Neumarkt auf die Rückkehr des Zuges, tauschten Erfahrungen aus, diskutierten. Noch während die Leute zurückströmten, begann nach halb vier der erste Redner: Kabarettist Andreas Thiel prangerte das «totalitäre System» an und verglich die Corona-Massnahmen mit der Inquisition. Viele unterhielten sich weiter, etwas abseits hatten Thiels Thesen rein akustisch einen schweren Stand. Neben dem Altersheim beobachtete ein Dialog-Team der Stadtpolizei in gelben Westen die Szene.

Nach Thiel ergriffen weitere Rednerinnen und Redner das Wort. Der Biobauer und Zürcher Kantonsrat Urs Hans moderierte. Hans hatte die Demo zusammen mit dem Verein Public Eye on Science organisiert, dessen Präsident er ist. Unter anderem sagte die Pharmazeutin Kati Schepis, es habe wegen Corona keine Übersterblichkeit gegeben. Der ehemalige Lehrer Markus Häni rief nach der Art von Rockstars ins Publikum: «Hallo Winterthur, geht es euch gut?» Und stellte mit Pathos fest: «Wir sind freie Menschen.» Der Journalist Christoph Pfluger forderte die Versammelten dazu auf, sich zu umarmen.

Foto: Keystone/Michael Buholzer

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